Tobias

Tobias, schwul, Jahrgang 1969
Positiv seit September 2019 
Medikament seit Oktober 2019
drei Wochen später nicht mehr ansteckend

Mein jährlicher HIV-Test war im September 2019 ein Schock: positiv. Das hatte ich nicht hören wollen. Es war das eingetreten, was ich mein ganzes Leben lang zu vermeiden versucht hatte. Was für ein Schlag!
Der Mensch im Gesundheitsamt empfand mich als ruhig und gelassen. Wie sich Äußeres von Innerem doch unterscheiden kann. Ich fühlte mich bei dieser Nachricht wie „weggesprengt“, aus dem Alltag herauskatapultiert. Kaum aus dem Gesundheitsamt draußen musste ich weinen, was ich den ganzen Tag immer wieder tat und auch in den nächsten Tagen. Einen guten Monat konnte ich kaum noch schlafen und ich machte mir die ganze Zeit Sorgen: Würde ich krank werden? Die Tabletten vertragen? Schwere Nebenwirkungen haben? Was bedeutet das alles für mich? Wie würde mein Leben weitergehen?

Rückblickend kann ich sagen, dass sich meine Sorgen alle als unbegründet herausgestellt hatten. Mein Testergebnis HIV-positiv erwies sich in der Tat als „positive Enttäuschung“: Das positive Testergebnis ist nichts anderes als ein positives Testergebnis geblieben. Ich hatte nie irgendwelche Symptome, meine tägliche Tablette hatte ich auch von Anfang an bis heute nebenwirkungsfrei vertragen.

Auch wenn einige Sorgen noch eine Weile blieben – so nach dem Motto: Kann ich dem Braten trauen? – begann sich mein Leben relativ schnell wieder zu normalisieren. Vielleicht klingt es verrückt, aber irgendwann hatte ich auch einen „Gewinn“ entdeckt: Mein ganzes Leben lang hatte ich Angst vor einer Infektion mit dem HI-Virus. Als ich es hatte, stellte ich nach einer Weile fest, dass man mit HIV gut leben kann – was für eine Entlastung beim Sex: Ich kann niemanden mehr anstecken, die Angst vor einer Ansteckung war verschwunden – was für eine Erleichterung!

Schon lange lebe ich mein Leben wieder ganz „normal“ weiter, arbeite künstlerisch, treffe mich mit meinen Freunden und verfolge meine persönlichen Lebensziele. Mein Umfeld weiß Bescheid, inzwischen trete ich sogar mit Texten zum Thema HIV auf Kleinkunstbühnen auf – das wäre für mich am Anfang undenkbar gewesen. Ich freue mich, wenn ich bei anderen ein wenig Aufklärungsarbeit leisten kann.

Wenn du dir nach einem positiven Test vielleicht Sorgen machst oder Fragen hast oder dich einfach mit jemandem unterhalten möchtest, der auch HIV-positiv ist, melde dich und wir treffen uns auf einen Spaziergang oder Kaffee.

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